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den Städten manches Vorrecht, das sie unter Friedrich Ii. verloren hatten, zurück und verordnete, daß 6 Ratsherren und 2 Bürgermeister die Verwaltung besorgten, daß gleiches Maß und gleiches Gewicht im ganzen Lande gebraucht werde.
Auch die Bauern waren in der Mark Brandenburg weniger bedrückt, als in anderen Teilen Deutschlands. Während hier der Bauernkrieg die blühendsten Landschaften verwüstete, blieb in Brandenburg alles ruhig. Wie sehr Joachim von seiner hohen Pflicht als Herrscher überzeugt war, geht aus seinen eigenen Worten hervor: „Der Fürst ist verpflichtet, nach Kräften die Ruhe und das Heil aller seiner Unterthanen zu fördern; denn er ist wie ein Diener des Herrn; daher muß er die Guten belohnen, den Bösen aber ihre Thaten mit gerechter Strafe vergelten."
d. Ländererwerb. Den Länderbefitz vermehrte der Kurfürst auf friedlichem Wege durch die Erwerbung der Grafschaft Ru pp in, deren Inhaber im Jahre 1524 ausstarben. — Im Vertrage von Grimnitzi) (1529) verzichtete Brandenburg auf die Lehnshoheit über Pommern, ließ sich aber die Erbberechtigung sür den Fall des Aussterbens der Herzöge feierlich bestätigen.
Joachims Stellung zur Deformation. In die Regierungszeit des Kurfürsten Joachim fällt auch der Beginn der Reformation, die vom nahen Wittenberg aus ihren Weg bald in die Marken fand.
Joachim war schon durch seine Erziehung, die ihm durch deu Bischos von Lebns, Dietrich von Bülow, zu teil geworden war, ein entschiedener Gegner der neuen Lehre.
Diese Abneigung wurde noch genährt durch feinen Bruder, den Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz, dem die Verkündigung des Ablaffes in Deutschland übertragen war, ferner durch die Bischöfe von Lebus und Brandenburg und durch die von ihm hochgeschätzte Universität zu Frankfurt, die das Vorgehen Luthers mißbilligte, und deren Hörsäle bei den neuen Vorgängen fast leer standen, während sich die zu Wittenberg füllten.
Joachim war ferner der Anficht, es fei Sache des Papstes und der Bischöse, die Angelegenheiten in der Kirche zu ordnen. Die Unruhen des Bauernaufstandes, der Wiedertäufer und andere schlimme Bewegungen seiner Zeit sah der Kursürst als eine Folge der Erregung der Völker durch die neue Lehre an. Seinem Lande und Volke wollte er aber die Ruhe erhalten, um deren Wohlfahrt ungehindert fördern zu können. Gegen die Anhänger der neuen Lehre blieb er duldsam. In seiner Familie duldete er dieselbe nicht.
Als seine Gemahlin, die Kursürstin Elisabeth, dem Gebote ihres Gemahls zuwider zu der neuen Lehre übertrat und das Abendmahl unter beiden Gestalten empfing, auch ihre Kinder heimlich in
r) In der Ukermark.
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Die Neuzeit.
Unter Heinrich Iii. loderte das Feuer des Bürgerkrieges abermals auf, die Katholiken schlossen einen heiligen Bund zum Schutze der katholischen Religion, des Königs und des Staates, die sog. Liga, und setzten es durch, daß das katholische Bekenntnis für das allein im Staate herrschende erklärt wurde. Heinrich Iii. wurde im Jahre 1589 von Jakob Clement, einem Fanatiker, erstochen und erklärte, da er kinderlos war, sterbend seinen Schwager Heinrich von Navarra für seinen Thronerben. Damit kam das
Haus Bourbon auf den französischen Thron, den es bis auf
die Zeiten Napoleons behauptet hat.
Heinrich Iv. von Bourbon (1589—1610) erhielt den Beinamen „der Gute", denn er beruhigte sein Land im Innern, gab den meisten Soldaten den Abschied und erteilte durch das
Edikt von Nantes (1598) den Reformierten gleiche bürgerliche Rechte mit den Katholiken. Er wurde von einem Schwärmer, Franz Ravaillac, im Jahre 1610 erdolcht.
Misaöelh von @ttgsanb. (1558—1603.)
Zu Luthers Zeit regierte in England Heinrich Viii., Elisabeths Vater, der im Jahre 1521 als eifriger Verfechter der katholischen Lehre vom Papste den Ehrentitel Beschützer des Glaubens erhielt. Aber derselbe König fiel nachher von der
katholischen Kirche ab, da er gegen die Kirchengesetze seine Gemahlin Katharina von Spanien verstieß und die Hofdame Anna Boleyn heiratete. Als der Papst von diesem ungerechten und unkirchlichen Schritte Kunde erhielt, sprach er über Heinrich den Kirchenbann aus. Heinrich dagegen brach jetzt vollständig mit dem Papste und setzte sich selbst zum Oberhaupte der englischen Kirche ein, schrieb auch selbst einen Katechismus, in dem die katholische Lehre, abgesehen von der päpstlichen Obergewalt, gewahrt blieb. Das Parlament bewies dem Könige eine niedrige Gefügigkeit, indem von den Großen des Reiches nur der Bischof Johann Fisher und der Lordkanzler Thomas Morus den sog. Supremateid verweigerten. Beide wurden dafür enthauptet. Die Gefängnisse füllten sich mit Taufenden von Menschen, die des Königs Religion nicht annehmen wollten; es waren sowohl Protestanten wie Katho-
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226
Die Neuzeit.
brauchten des jungen Königs Willensschwäche und verleiteten ihn zum Lasterleben in Gesellschaft böser Männer und Weiber, die mit ihm die Nächte durchschwelgten. Die Marquise von Pompadour beherrschte den König Jahre lang dermaßen, daß sie die Ämter im Reiche verlieh und Geld aus den Kassen nahm, so viel ihr beliebte. Ein schrecklicher Tod überraschte im Jahre 1774 den König, der bis in sein Greifenalter hinein das würdelose Leben fortgesetzt hatte.
gngsartb unter dem Kcrufe gfttctrf.
Auf den ersten Stuart, Jakob I., folgte im Jahre 1625 sein Sohn Karl I., der bis 1649 regierte. Da er vollständig von dem Streben nach unumschränkter Herrschermacht beseelt war, geriet er schon bald nach seiner Thronbesteigung in Streit mit dem Parlament. Er hob daher das feindselige Parlament ohne weiteres auf und regierte dann elf Jahre ohne Parlament. Als aber in Schottland Gärungen entstanden infolge der Einführung einer neuen Liturgie, war der König genötigt, um die Mittel zu dem drohenden innern Kriege zu erhalten, im Jahre 1640 wieder ein Parlament zu berufen; es heißt das lange Parlament, weil es 12 Jahre bestand. Es nötigte dem Könige die Hinrichtung des verhaßten Ministers Strafford und die Einkerkerung des anglikanischen Erzbischofs Laud ab und trat sogar mit den aufrührerischen Schotten in Verbindung. So brach ein blutiger Bürgerkrieg aus, in dem Oliver Cromwell, ein eifriger Kalviner, als General und Feldprediger zugleich seine Streiter begeisterte und den König bei Naseby (1645) besiegte. Nun hatte das Parlament den König in seiner Gewalt, das ihn im Jahre 1649 als Tyrannen, Mörder, Verräter und öffentlichen Feind des Gemeinwesens zum Tode verurteilte und hinrichten ließ.
England wurde jetzt eine Republik (1649—1660), an deren Spitze ein Staatsrat von 41 Mitgliedern trat, deren thatsächliches Oberhaupt aber Cromwell war. Er zwang Karl Ii., den gleichnamigen Sohn des vorigen Königs, der sich in Schottland zum Könige hatte krönen lassen, zur Flucht nach Frankreich, die Schotten zur Anerkennung der Republik. Weil die Niederländer den An-
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England unter dem Hause Stuart.
227
Hängern des Königtums Schutz und Zuflucht gewährten, erließ er die sog. Schiffahrtsakte, ein Gesetz, nach welchem besonders außereuropäische Waren nur auf englischen Schiffen eingeführt werden durften. Diese Maßregel führte hauptsächlich den Aufschwung der heimischen Reederei und die Blüte des Handels herbei, welchem Großbritannien noch jetzt seine herrschende Stellung auf dem Meere verdankt. Bei dem Seekriege, der nun mit Holland ausbrach, zeigte sich die englische Seemacht den Niederländern gewachsen, die infolge dessen auch die Republik in England anerkannten. Das Parlament bot bald darauf Cromwell sogar die Königskrone an, die er aber ausschlug, weil seine Soldaten gegen die Wiederherstellung der Monarchie waren. Dagegen erhielt er die Erlaubnis, seinen Sohn Richard zum Nachfolger zu ernennen. Unter Richard Cromwell, der seiner Stellung durchaus nicht gewachsen war, entstanden neue Streitigkeiten im Parlament und in der Armee, die mit der Wiederherstellung der alten Verfassung endigten. Karl Ii. landete am 25. Mai 1660 zu Dover und zog unter dem Jubel der Menge in London ein.
Karl Ii. (1660—1685) konnte die Hoffnungen nicht erfüllen, die das Volk in ihn gesetzt hatte. Er begann aus nichtigen Gründen einen Handelskrieg mit Holland, in welchem die kühnen Holländer unter dem Admiral Ruyter in die Themse eindrangen und englische Kriegsschiffe verbrannten. Auch entfachte er den Fanatismus der Anglikaner zur hellen Flamme, als er alle Strafgesetze gegen die Katholiken aufhob. Hiergegen erließ das Parlament die sog. Testakte (1673), die bis zum Jahre 1829 in Geltung geblieben ist, wonach jeder Beamte oder Offizier eine schriftliche Erklärung über die Anerkennung der kirchlichen Oberhoheit des Königs und gegen die katholische Abendmahlslehre abgeben mußte. In diesen Parteikämpfen erhalten zuerst die Namen der Whigs oder Liberalen und Tories oder Konservativen politische Bedeutung.
Jakob Ii. (1685—1688), der Bruder des vorigen Königs, war schon 1673 öffentlich zum Katholizismus übergetreten und mußte infolge seiner feindseligen Haltung gegen den Protestantismus nach Frankreich entfliehen. Sein Schwiegersohn Wilhelm von
15 *
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2-28
Die Neuzeit.
Oranien, der ihm als Wilhelm Iii. folgte, verhinderte die Versuche, welche die letzten Stuarts Jakob Ii. und Jakob Iii. zur Wiedererlangung des Thrones machten. Im Jahre 1714 berief das Parlament den protestantischen Kurfürsten Georg von Hannover, Jakobs I. Urenkel, auf den Thron, und so kan/ das Haus Hannover zur Regierung, das noch jetzt in England herrscht.
Die Engländer in Ostindien.
Ein Mongole, der Sultan Baber, hatte im Jahre 1526 in Vorderindien das Reich des Großmoguls gegründet, wie man es in Europa nannte. Über 200 Jahre stand dieses Reich in seinem Glanze und erfüllte die ganze Welt mit dem Rufe seiner Macht und seines Reichtums. Erst im 18. Jahrhundert drangen Perser und Afghanen verheerend in Vorderindien ein, während sich gleichzeitig die Statthalter selbständig machten und durch ihre Zwietracht den Europäern die Gründung von Niederlassungen an den Küsten des Landes wesentlich erleichterten. Der Wettkampf zwischen den Engländern und Franzosen um die Vorherrschaft in Indien wurde schließlich im Jahre 1760 zu Gunsten Englands entschieden, das damit ein Kolonialreich erwarb, wie es einzig in der Weltgeschichte dasteht; denn Indien ist so groß wie alle europäischen Reiche außer Rußland zusammen genommen und hat außerdem die riesige Einwohnerzahl von über 295 Millionen Menschen.
Der nordarnerikanische Freiheitskrieg. (1775—1783.)
Seit der Zeit der Königin Elisabeth hatten sich in Nordamerika viele englische Kolonieen gebildet; besonders waren jene dahin ausgewandert, die im Vaterlande der Religion wegen gedrückt wurden, Katholiken, Puritaner und Quäker. Auch viele Deutsche gesellten sich zu ihnen. Die englische Regierung erlaubte den Kolonieen, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, in Handelsangelegenheiten aber drückte sie dieselben sehr. Die Kolonieen durften feine Fabriken anlegen, sondern mußten alle Fabrikwaren ans England kaufen. Sie ließen sich das jedoch gefallen, und als die Franzosen es den Engländern verwehren wollten, sich am Ohio niederzulassen.
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Die Neuzeit.
timffar» Wcrscr von Schweden. (1523—1560.)
Gegen Ende des Mittelalters (1397) waren durch die Union von Kalmar (im südöstl. Schweden) Dänemark, Norwegen und Schweden zu einem Reiche vereinigt worden. Diese Einheit aber wurde für immer gesprengt durch den dänischen König Christianil (1513 lo23), der aus politischen und selbsüchtigeu Gründen die
lutherische Lehre begünstigte und in Dänemark einzuführen suchte. Da sich Schweden von der Union losgerissen hatte, drang er im Jahre 1520 siegreich in dieses Land ein, ließ sich in Stockholm krönen und nach einigen Tagen alle obern Reichsbeamten verhaften und hinrichten. Dieses Stockholmer Blutbad rief eine allgemeine Erhebung der Schweden hervor, die Dänen wurden vertrieben, und Gustav Wasa, der Führer der Aufständischen, bestieg im Jahre 1523 als Gustav I. den schwedischen Thron1). Er führte die lutherische Lehre in Schweden als Staatsreligivn ein und zog, um die Einkünfte der Krone zu erhöhen, die Kirchengüter an sich.
Der grausame Christian Ii. verlor auch den Thron Dänemarks an seinen Oheim Friedrich von Schleswig-Holstein und wurde nach einem mißglückten Versuche, die dänische Krone wiederzugewinnen, 17 Jahre lang, bis zu seinem Tode, in strenger Haft gehalten.
3. Zur Kultur dieses Zeitraumes.
Werre Z)rden in der Kirche.
Eine wahre Reformation der katholischen Kirche wurde durch die Kirchenversammlung zu Trient bewerkstelligt. An den Glaubenslehren wurde freilich nichts geändert; denn gegen diese hat die unfehlbare Kirche Christi nie verstoßen und kann sie nie verstoßen. Dagegen wurde die Zucht und Sitte wiederhergestellt, wirkliche Schäden wurden beseitigt, und der weitern Verbreitung des Abfalls wurde Einhalt gethan. Träger dieser segensreichen Thätigkeit waren vor allen die religiösen Genossenschaften, die der Geist Gottes zum Heile der Kirche in dieser Zeit erweckte.
Ganz besondere Erwähnung verdient der Orden der Gesellschaft^ esu oder Jesuitenorden, der von dem hl. Ignatius
*) Norwegen blieb bei Dänemark bis 1814.
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Die katholische Kirche in Deutschland.
285»
Bewußtsein und das immer mehr erwachte Streben, das Haus des Herrn würdig zu gestalten und auszuschmücken, rief alle Künste im den Dienst Gottes und schuf zu seiner Ehre die herrlichsten Bauwerke. - Wie aber die Kunst zu neuer Kraft emporblühte, so zeitigte auch die katholische Wissenschaft die herrlichsten Erfolge.. Seitdem der berühmte Joseph von Görres durch seine Schriften so gewaltig wirkte, daß Napoleon ihn als die fünfte Großmacht bezeichnete, traten immer mehr katholische Gelehrte in den Vordergrund, die im Kampfe gegen den Unglauben die wahre Wissenschaft zu der ewigen Quelle der Wahrheit, zu Gott, zurückführten. — Die zahlreichen kirchenpolitischen Wirren, welche die besten Kräfte-auf den Kampfplatz brachten, riefen ein ungeahntes Aufblühen der katholischen Presse hervor, die in zahlreichen Zeitschriften und Tages-blättern mit selbstlosem Mute die Rechte der Kirche verteidigt. Dasselbe Ziel verfolgen die seit dem Jahre 1848 alljährlich tagenden Kathoukenversammlnngen Deutschlands, die sich allmählich zu den großartigsten Kundgebungen der katholischen Macht gestaltet haben.
Das wichtigste Ereignis im Pontifikate des Papstes Pius Ix.. war das Vatikanische Konzil, welches am 18. Juli 1870 die lehramtliche Unfehlbarkeit des Papstes verkündigte. Die bald darauf erfolgte Einnahme Roms und die gänzliche Beraubung des Oberhirten erhöhte nur noch die Treue, Liebe und Ergebenheit für das Oberhaupt der Kirche in der ganzen katholischen Welt. Im deutschen Reichstage erfolgte damals die Gründung der Centrumspartei, in der die Kräfte eines August und Peter Reichensperger,, eines Mallinckrodt, des unvergeßlichen Windthorst und vieler anderer wohlverdienten Männer sich stählten. Diesen Männern ist nicht nur die endliche Beseitigung des unseligen Kulturkampfes, sondern auch die ganze Organisation der Katholiken für das öffentliche Leben zu danken, die von allen katholischen Völkern der Erde als mustergültig angesehen wird.
Im Jahre 1878 schied der große Papst Pius Ix. aus dem Leben, nachdem er 31 Jahre lang den Stuhl Petri innegehabt hatte, länger als irgend einer seiner 256 Vorgänger. Sein Nachfolger Leo Xiii. entfaltete gleich nach seinem Regierungsantritte
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
Ranke: Das spätere Kaisertum des Mittelalters. 223
Wahr und tiefsinnig! Eben darum aber darf der Kaiser Rechte, als deren Quelle er betrachtet wird, nun nicht etwa mit freier Willkür verwalten! Er mag sie vergeben; selbst ausüben darf er sie nur innerhalb der von dem Herkommen und der Übermacht seiner Unterthanen gezogenen engen Schranken. Obwohl alle weltliche Jurisdiktion auf ihn zurückgeführt wurde, so sand doch kein Gericht zweifelhafteren Gehorsam, als eben das seine.
Man hatte es beinahe in Vergessenheit geraten lassen, daß es eine königliche Gewalt in Deutschland gebe; auch dieser Titel war abgekommen; schon Heinrich Vii. hielt es für eine Beleidigung, wenn man ihn König von Deutschland nannte, und nicht, wie er vor aller Krönung genannt zu werden das Recht hatte, König der Römer. Man betrachtete auch im fünfzehnten Jahrhundert den Kaiser vor allen Dingen als den Nachfolger der altrömischen Cäsaren, deren Würde und Recht erst an die Griechen, dann in Karl und Otto dem Großen auf die Deutschen übergegangen, als das eigentliche weltliche Oberhaupt der Christenheit. Kaiser ■ Siegmnnb befahl, seine Leiche einige Tage zu zeigen, bamit jebermatm sehen möge, daß „all der Welt Herr tot und gestorben sei". „Wir haben", schreiben die Kurfürsten 1440 an Friedrich Iii., Ew. Königl Gnaben zu einem Haupt, Schützer und Vogt der ganzen Christenheit erwählt"; sie sprechen die Hoffnung aus, daß das der römischen Kirche, der ganzen Christenheit, dem heiligen Reiche und gemeinen Christenleuten nützlich sein werde. Selbst ein fremder König, Wlabislaw von Polen, preist den Erwählten glücklich, daß er das Diabem der Monarchie der Welt empfangen werbe. In Dentschlaub war man unbebenklich der Meinung, daß auch die übrigen christlichen Könige, namentlich von England, Spanien und von Frankreich, dem Kaisertume von Rechts wegen unterworfen seien, und nur darüber im Streit, ob ihr Ungehorsam entschuldigt werden könne, oder als sündlich betrachtet werden müsse. Die Engländer suchten nachzuweisen, daß sie seit Einführung des Christentums nicht unter dem Reich gestanden. Die Deutschen dagegen thaten nicht allein, was auch die andern zu thun schuldig gewesen wären, und erkannten das heilige Reich an, sondern sie hatten die Befugnis an sich gebracht, demselben sein Oberhaupt zu geben, und man hegte die sonberbare Meinung, die Kurfürsten seien in die Rechte des römischen Senates und Volkes getreten. So brückten sie sich im breizehnten Jahrhundert selbst einmal aus. „Wir", sagen sie, „die wir des römischen Senats Stelle einnehmen, die wir als die Väter und die
Leuchten des Reiches gelten." Im fünfzehnten Jahrhundert wieber-
holte man biefe Meinung. „Die Deutschen", heißt es in einem Entwurf zur Abstellung der Beschwerben des Reiches, „welche die Würbe des römischen Reiches urtb beshalb die Obrigkeit aller Lanbe an sich gebracht
haben." Wenn die Kurfürsten zur Wahl schritten, so schworen sie, „nach
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Janssen: Kaiser Maximilian I.
257
und Recht nach Kräften aufrichten, und nach Empfang der Kaiserkrone die geeignete und in kriegerischen Thaten bewährte Volkskraft gegen die Türken aufbieten. Denn das Kaisertum faßte er noch ganz im alten Sinne des Wortes auf als die höchste Schirmvogtei der Kirche, als den Grund- und Eckstein alles Rechtes auf Erden; die Führung der Waffen des Abendlandes gegen den Glaubensfeind erschien ihm als die edelste Aufgabe seines Lebens.
Die hohen Ziele des Königs waren auch die Ziele der Einsichtigsten und Besten der Nation. Alle Vaterlandsfreunde hatten die Überzeugung, daß die Macht des Volkes abhiug von der Macht des Königtums, daß nur die moralische Gewalt in ihrem früheren Bestände Recht und Frieden sichern, selbst aber nur durch ruhmvolle Bethätigung ihrer Stellung nach außen sich über das vielköpfige Fürstentum wieder erheben könne. Mit Wärme und stolzem Selbstgefühl äußerten sich die litterarischen Stimmführer Deutschlands, daß die Nation, welche so reich und wehrhaft sei, wie nicht ein Volk der Christenheit, welche so viele Erfindungen gemacht, so viele Geistesschlachten geschlagen habe und auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst eine so freudige Entwickelung bekunde, keiner anderen sich unterordnen dürfe, fondern an der Spitze aller zu stehen berufen sein. In männlicher patriotischer Sprache ermahnten Männer, wie Wimpheling, Sebastian Brant, Nauclerus und Pirkheimer an die Herrlichkeit des alten Reiches und begrüßten den Kaiser als Wahrer der deutschen Einigkeit und als Wiederbegründer des christlich-germanischen
Reiches, der Weltherrschaft des Christentums im Abend- und Morgen-
lande. „Siehe", mahnte den König Sebastian Brant:
„Siehe die Zügel der Welt ruhn dir in den Händen, 0 König,
Schuldet Gehorsam doch dir, was die Erde bewohnt!
Wachsen nun unter dir, Herr, wird die Gemeinde der Christen,
Jetzt, o Mehrer des Reichs, kannst du es mehren das Reich.
Ja du thust's ....
Augeboruer und tapferer Mut wehrt, daß dir erschlaffe,
Daß dir erstarre der Geist oder zum Wollen die Kraft.
Was dein Antlitz belebt, der Entschlossenheit kräftige Züge Zeugen von hohem Gemüt, edlem und christlichem Sinn.
Ja, ich weiß! nicht täuschet die Hoffnung, welche wir ehemals Schöpften, daß ich des Reichs Gründer besänge in dir.
Siehe, vom Himmel herab, vom hohen, winket der Sieg dir,
Der einst Karl beistand, würdige Frucht ihm verlieh.
Herr, die Zeit ist erfüllt; es kehren faturuische Reiche,
Laß das geheiligte Land kehren in deine Gewalt!
Waffen des Kaisers erfassest du jetzt, faß Kaisergemüt auch!
Waffen des Kaisers erschaun mögen die Völker umher.
Möge der Feind nun seh'n, wie unserm Gebieter von oben Selbst in die Hände gedrückt schreckliche Waffen der Herr."
Aus allen Jahrhunderten. Ii. yj
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